Unveröffentlichte Vortragstexte und Manuskripte

 

Der Aufbau interkultureller Kompetenz -

Thesen zur Grundlegung einer Leitidee

Wie kann Schule dieses Bildungsziel verwirklichen?

 

Im November 2001 hat die 31. Generalkonferenz der UNESCO in Paris eine zukunftsweisende „Allgemeine Erklärung zur Kulturellen Vielfalt“ verabschiedet. Darin wird betont, dass eine Vielfalt von Kulturen ein Charakteristikum jeder „entwickelten“ Gesellschaft darstellt. Diese Vielfalt ist als ein Reichtum zu betrachten, der erhalten und gepflegt werden muss. Voraussetzung dafür ist ein kontinuierlicher Dialog zwischen den Kulturen innerhalb eines Staates und über Staatengrenzen hinweg. Damit die Menschen diesen Reichtum auch ausschöpfen können, müssen sie über interkulturelle Bildung verfügen. Diese muss unauflöslich mit globalen ethischen Standards verknüpft sein, wenn die kulturelle Vielfalt und ihre natürlichen Ressourcen für die Zukunft gesichert und ein friedvolles Zusammenleben aller Menschen dauerhaft gewährleistet sein soll. Darin liegen eine schwierige politische Gestaltungsaufgabe und eine enorme Herausforderung für alle Bereiche, Gruppen und Einrichtungen einer Gesellschaft.

 

Die großartige und zukunftsweisende Idee interkultureller Bildung auf der Grundlage globaler ethischer Standards hat aber nur dann eine Chance, wenn sie bei den künftigen Generationen schon von klein auf in den Menschen verankert wird. Dieser Gedanke wird zwar in vielen Verlautbarungen zum Thema angesprochen, aber nirgends genauer ausgeführt. Ich möchte die fundamentale Bedeutung der pädagogischen Dimension ins Bewusstsein heben: Der Aufbau interkultureller Kompetenz ist nur im Rahmen institutionalisierter Erziehung in der Schule Erfolg versprechend. Der Beginn dafür sollte bereits in der Grundschule liegen, weil die Kinder in dieser Phase besonders offen und bildungsfähig sind. In der Grundschule zeigen die Eltern noch das größte Interesse am schulischen Geschehen. Hier besteht noch am ehesten die Möglichkeit, dass alle Kinder gemeinsam miteinander leben und lernen, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft, Religion und unabhängig von ihren Begabungen.

 

Die Frage ist, wie interkulturelle Bildung und interreligiöse Dialogfähigkeit operationalisiert und in der Schule und anderen Bildungseinrichtungen verwirklicht werden kann. Dafür sind zunächst politische Grundsatzentscheidungen notwendig z.B. Ganztagsschulen. Für eine Erfolg versprechende Umsetzung in der Bildungs- und Kulturpolitik ist es besonders wichtig, dass dahinter ein politischer Impetus steht, dass so etwas wie Begeisterung für diese Idee spürbar wird. Grundlegende Voraussetzung ist ein Konzept von Schule, das sich an der Leitidee kultureller Vielfalt orientiert und die Bedingungen beschreibt, unter denen im Rahmen einer neuen Schulkultur ein kontinuierlicher und verlässlicher Aufbau interkultureller Kompetenz möglich ist. Die Ergebnisse der PISA-Studie über die Benachteiligung ausländischer Schüler verweisen auf die Dringlichkeit des Problems! Es wäre von höchster Bedeutung, ein solches Konzept von Schule auf seine Wirksamkeit hin zu erproben. Dabei müssten bestehende Ansätze zur Schulentwicklung aufgegriffen und die vielfältigen Erfahrungen aus diesem Bereich genutzt werden (K. Wild 2006).

 

1.     Ausgangspunkt: Der Zusammenhang von kultureller Identität und interkultureller Kompetenz

 

1.1       Der Aufbau interkultureller Bildung ist eine Entwicklungsaufgabe von klein auf. Entwicklungsaufgabe heißt, dass sich diese Aufgabe unausweichlich stellt und von den Heranwachsenden im Rahmen ihres Entwicklungsprozesses möglichst selbständig bewältigt werden muss (Vgl. Spanhel 2006, S. 37 ff. insbes. S. 55 ff.).  Kinder werden in ihrer Alltagswelt, in Kindergarten und Schule, in der Freizeit und in den Medien heute schon sehr früh mit kultureller und sprachlicher Vielfalt, mit Menschen aus anderen Kulturen, ihren Lebensäußerungen, Religionen, Weltanschauungen und Produkten konfrontiert und müssen damit zurecht kommen. Nur Mitglieder der Mehrheit besitzen praktisch die Möglichkeit, sich der alltäglichen interkulturellen Begegnung zu entziehen. Unbewältigte Fremdheitserfahrungen betreffen daher vorwiegend die Einheimischen.

 

Das Problem der Begegnung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen ist nicht das „Fremde der Anderen“, sondern das Fremdmachen und Fremderleben, das Abgrenzen und Ausschließen durch die Mitglieder der eigenen Gruppe. Ziel: Durch den Aufbau interkultureller Kompetenz/Bildung sollen diese Grenzen und daraus resultierende Konflikte überwunden werden. Bei der Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe sind die Heranwachsenden allerdings auf pädagogische Unterstützung angewiesen, wenn sie nicht einfach über Sozialisationsprozesse die vorherrschenden Meinungen und Haltungen, Vorurteile und Ängste gegenüber den Mitgliedern anderer Kulturen und Religionen übernehmen sollen (Zum Zusammenhang von Entwicklung und Erziehung vgl. Spanhel 2006, s. 37 ff., besonders S. 55 ff.). Die Abgrenzung und Abwehr des Fremden ist ein Schutzmechanismus für die Erhaltung und Sicherung der eigenen Gruppe, der sich in der Evolution herausgebildet hat. Er muss heute, beim Wegfall dieser Bedrohungen und für ein Leben in einer kulturellen Vielfalt durch Lernen überwunden werden. Schule ist der einzige Ort, an dem diese Hilfe professionell und kontinuierlich über Jahre hinweg geleistet werden kann.

 

1.2       Der Grundgedanke für die folgenden Überlegungen ist der Zusammenhang von kultureller Identität und interkultureller Kompetenz. Dahinter steht die Überzeugung, dass der Aufbau der interkulturellen Kompetenz in denselben Entwicklungsprozess eingebettet ist, in dem der Heranwachsende seine kulturelle Identität aufbaut. Sozialwissenschaftler beschreiben Identität in unserer multikulturellen Gesellschaft nach dem Patchwork-Modell als offene multiple Identität als Folge des Aufwachsens in multiplen Realitäten (Keupp, Höfer 1997). Sie betonen: Nur wenn ich mich sicher fühlen kann, bin ich in der Lage, eine komplexere Identität zu erwerben. Nur dann kann ich mich selbst mit mehr als einer Gruppe identifizieren. Darin aber liegt das entscheidende Fundament für den Aufbau interkultureller Kompetenz.

 

Es käme also zentral darauf an, dass die Heranwachsenden zuerst ihre eigene Kultur entdecken, in ihrer Vielfalt, geschichtlichen Gewordenheit, aber auch in ihren Widersprüchen kennen, schätzen und aktiv mit gestalten und verändern lernen. Dabei sollten sie ein Maß an Sicherheit und Selbstbewusstsein entwickeln, das Raum für die Ausbildung der notwendigen multiplen Identitäten lässt.

 

 

1.3       Aber: was heißt Kultur und wie beeinflusst sie den Aufbau kultureller    Identität?

 

Als Kultur kann das Insgesamt an Symbolbedeutungen innerhalb einer Gesellschaft oder Gruppe bezeichnet werden, die das Kommunikationsverhalten der Mitglieder regeln und die Struktur der Werte und Normen bestimmen. Kultur enthält die „Landkarten der Bedeutung“, die der Deutung des gesellschaftlichen Lebens und der Orientierung des Handelns dienen (Auernheimer 1995). Kultur ist wie ein Eisberg – nur der kleinere Teil ist uns bewusst (Jantz, Mühlig-Versen 2003). Der größere Teil kultureller Prägungen bleibt uns unbewusst, z.B. Erziehungsmuster, Geschlechterrollen, Beziehungsverhältnisse oder der Umgang mit Wahrheit und Logik. Kultur als ein gleichzeitig universelles und sehr typisches Orientierungssystem einer Gesellschaft beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder. Kulturelle Schemata sind durchlässig, wandelbar und widersprüchlich. Die übereinstimmende Deutung gemeinsamer Symboldeutungen passt sich dynamisch den fortlaufenden gesellschaftlichen Veränderungen an. Heute ist die Anpassung an Interkulturalität vordringlich!

1.4       Wie müssen wir uns nun den Aufbau einer kulturellen Identität vorstellen? Die individuellen Identitäten sind auf das vielfältigste mit den kulturellen Prägungen verwoben, die von früher Kindheit an und oft unbewusst die Verhaltensmuster und Werte beeinflussen. Dies geschieht schon von Geburt an durch die Art der Ernährung, Pflege, Schutzgewährung und Zuwendung. Mit diesen Handlungsmustern werden diffizile kulturelle Einstellungen, Haltungen, Wertorientierungen vermittelt. Sie formen die „basic personality“, auf der alle weiteren Entwicklungs- und Lernprozesse aufbauen. Mit der kognitiven Entwicklung, insbesondere durch den Erwerb der Sprache, werden die kulturellen Muster ausdifferenziert und damit  auch das Selbstbewusstsein und die kulturelle Identität (Bollnow 1966). In der Kindheit ist die Identität noch sehr stark von den Eltern bestimmt, aber in der Pubertät müssen sich die Heranwachsenden davon ablösen und ihre eigene Identität aufbauen. In dieser Phase liegen daher die besonderen Möglichkeiten der Schule, aber sie übernimmt damit auch eine große Verantwortung. In der Entwicklung seiner Identität bezieht sich das einzelne Subjekt in der Regel auf mehrere Kulturen: Es gehört unterschiedlichen sozialen Gruppen an, die jeweils ihre eigenen Subkulturen ausformen, seien es religiöse, politische, altersspezifische, berufliche oder ethnische Gruppierungen. D.h.: Jede plurale Gesellschaft erfordert interkulturelle Kompetenz (Allemann-Ghionda 1997, S. 121 ff.)!

 

Jedes Mitglied der kulturellen Gruppe hat sowohl eine persönliche als auch eine kollektive kulturelle Identität und weiß, wie man sich in verschiedenen Situationen angemessen verhält. Gleichzeitig wird auch das Verhalten der Mitglieder anderer Gruppen – größtenteils unbewusst – durch die eigene Kulturbrille bewertet. Auch Gefühle werden entsprechend kulturell unterschiedlich wahrgenommen, bewertet und ausgedrückt.

 

1.5       Neben der Familie ist die Schule der zentrale Lebensbereich zur institutionellen Formung des Selbst durch die Kultur. Schule bereitet die Heranwachsenden nicht auf die Kultur vor, sondern sie lebt mit ihnen diese Kultur, in der sie ihre Identität ausbilden. Die schulischen Erziehungs- und Lernbedingungen müssen daher in Form einer bewusst gepflegten Schulkultur so gestaltet werden, dass die Heranwachsenden im Laufe der Jahre eine stabile kulturelle Identität aufbauen können, in der die interkulturelle Kompetenz fest integriert  ist. Wenn von Aufbau die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass die Heranwachsenden aus ihren alltäglichen Handlungserfahrungen mit kultureller Vielfalt eigenständig bestimmte Wahrnehmungs-, Denk-, Gefühls-, Wertungs- und Handlungsmuster konstruieren. Je weiter diese Muster im Verlaufe der Entwicklung ausdifferenziert werden, desto besser können die Heranwachsenden den Reichtum kultureller Vielfalt ausschöpfen und damit verbundene Anforderungen bewältigen (J.S. Bruner 1996).

 

1.6       Zur interkulturellen Bildung gehört die Fähigkeit, angemessen und erfolgreich in einer fremdkulturellen Umgebung oder mit Angehörigen anderer Kulturen zu kommunizieren. Dazu gehört insbesondere der Erwerb von

-        Wissen über die hegemoniale Praxis von Einschluss und Ausschluss (rechtliche Grundlagen unseres Zusammenlebens, Formen und Auswirkungen von individueller und struktureller Diskriminierung und Rassismus),

-        eigenkultureller Bewusstheit, Selbstsicherheit, Fähigkeit zur Identitätsdarstellung,

-        Rollendistanz, Empathie, Ambiguitätstoleranz, Interaktionsfreudigkeit,

-        Stresstoleranz, Frustrationstoleranz, die Fähigkeit Widersprüchlichkeiten zu ertragen,

-        Kenntnissen über Sprache u.a. Kulturtechniken,

-        Fähigkeit, vielfältig auftretende Ambivalenzen auszuhalten (Jantz, Mühlig-Versen 2003).

 

 

1.     Thesen zur Begründung der Leitidee „Schulkultur der Offenheit“

 

Welche Merkmale zeichnet nun das Konzept einer Schule aus, das sich an der Idee kultureller Vielfalt orientiert und den Aufbau kultureller Identität und interkultureller Kompetenz in ihrem Zusammenhang sichert?

 

Dabei ist zu bedenken: In der Schule gibt es nicht nur Fächer und Curricula, die die Lerninhalte ordnen. Der wichtigste Lerngegenstand ist die Schule selbst und wie sie von den Schülerinnen/Schülern erfahren wird. Darum geht es bei der Frage nach der Leitidee einer Schulkultur! Schule als Erfahrungsraum/Lebensraum/Bildungsraum wird durch Schulkultur geprägt.

1.1  Das gelingt nur einer Schule aus einem Guss mit einer Schulkultur, die die vielfältigen Kulturen des eigenen Landes bewusst pflegt, sich dabei aber zugleich an dem Ziel interkultureller Bildung orientiert und sich den globalen ethischen Standards verpflichtet weiß (Küng 1990). Diese Schulkultur muss die kulturelle und religiöse  Vielfalt unseres Landes widerspiegeln und in lebendigen Formen realisieren und den Schülerinnen/Schülern den Aufbau kultureller Identität ermöglichen. Sie muss aber zugleich offen sein für die Begegnung und den aktiven Dialog mit fremden Kulturen und Religionen, um die Schüler/Schülerinnen für die Relativität ihrer eigenen Kultur zu sensibilisieren und ihnen Kenntnisse über und konkrete Erfahrungen mit anderen Kulturen zu vermitteln (Allemann-Ghionda 1997, S. 123, S. 140). Unsere Schulen bieten dafür m.E. günstige Voraussetzungen:

Schüler aus unterschiedlichen sozialen, ethnischen, religiösen und nichtreligiösen Gruppen sind nicht nur Belastung, sondern Reichtum, der bewusst gemacht und ausgeschöpft werden muss!

 

1.2  Die Schulkultur muss an dem Bildungsziel interkultureller Kompetenz ausgerichtet werden. Grundlegend dafür sind spezifische Handlungs- bzw. Kommunikationsfähigkeiten, die nicht in den Formen des herkömmlichen Unterrichts oder mittels traditioneller Lehr-Lernmethoden vermittelt werden können. Sie verlangen ein Lernen vom Kontext, den eigenaktiven Vollzug interkulturellen und mehrsprachigen Handelns. Die Schulkultur müsste daher vielfältige kulturelle Handlungsrahmen bereitstellen, in denen die Heranwachsenden aus eigener Initiative interkulturelles Handeln bei der Bearbeitung anstehender Aufgaben und Probleme oder bei der Lösung von Konflikten entwickeln und einüben. Die Übernahme der Kultur durch den Aufbau einer Schulkultur verlangt eine Gruppe in Interaktion, eine Gruppe wechselseitigen Lerner, die sich gegenseitig unterstützen. Unter der Anleitung der Lehrkräfte müssen die Heranwachsenden mit ihren unterschiedlichen Herkünften eine „community of mutual learners“ bilden, in denen ständig ein intersubjektiver Austausch erfolgt. In der aktiven Auseinandersetzung mit Werken und Produkten, Sitten, Religionen und Handlungsmustern der eigenen Kultur und fremder Kulturen, auch unter Ausnutzung der neuen Medien (Email oder Internet) und in der Hervorbringung eigener kultureller Objektivationen, z.B. der Produktion eines Videofilms, lernen die Heranwachsenden miteinander und voneinander (J.S. Bruner 1996).

 

1.3  Interkulturelles Lernen als Schule der Wahrnehmung und des Dialogs

Wichtig ist eine genaue Wahrnehmung der Differenz zwischen den Kulturen sowie eine vollständige Verarbeitung kulturspezifischer Karten. Nur so können die unterschiedlichen Karten im Blick auf die Wirklichkeit simultan angewandt und durchleuchtet werden und so neue Strukturen sichtbar machen. Es geht nicht um Abgrenzung, sondern um die Wahrnehmung der Tiefe offener Zwischenräume (Graf 1998).

 

In dieser Schule der Wahrnehmung müssen die Heranwachsenden erfahren, dass die Kultur, in der sie leben, eine symbolische, mediale Konstruktion darstellt. Die Welt ist konstruiert, sie ist ein Produkt der Bedeutungskonstitution. Die Heranwachsenden müssen erkennen, dass man die Wirklichkeit so oder anders konstruieren kann, je nach Standpunkt und Perspektive und sie müssen dies im täglichen Zusammenleben wahrnehmen.

 Sie müssen aber auch zum Perspektivenwechsel befähigt werden und lernen, selbst unterschiedliche Konstruktionen vorzunehmen. Auf der anderen Seite müssen sie gemeinsam geteilte Bedeutungen konstruieren und damit einen ständig wachsenden „konsensuellen Bereich“ (Maturana, Varela 1987) als Basis für ein funktionierendes Zusammenleben in der Schulgemeinschaft aufbauen. Schulerziehung muss den Heranwachsenden helfen, die Werkzeuge der Bedeutungs- und Wirklichkeitskonstruktion (Zeichengebrauch, Sprache, Medien-Begriffe) zu nutzen.

Interkulturelles Lernen als Selbstreflexion gründet auf eine Haltung des Dialogs. Dialogisches Lernen bedarf offener Räume der Begegnung sowie spezifischer Dialogkompetenzen. Das öffentliche Bildungswesen stellt eine herausragend geeignete Institution dar, zum Ort dialogischen Lernens zu werden und allen Schülern spezifische Dialogkompetenzen zu vermitteln (P. Graf 1998).

 

1.4  Die Schulkultur muss auf globale ethische Standards verpflichtet werden. Sie sind das eigentliche Fundament für den Aufbau interkultureller Kompetenz, weil alles menschliche Handeln mit Wertentscheidungen verbunden ist. Die gemeinsame Arbeit von Heranwachsenden aus unterschiedlichen Kulturen an einer Schulkultur setzt gemeinsame Normen und Wertorientierungen, eine Orientierung an möglichst globalen ethischen Standards voraus. Prof. Küng hat solche ethischen Standards entwickelt und begründet. Durch das Projekt „Weltethos“ (1990) haben sie inzwischen weltweit Anerkennung gefunden. Ihre Bedeutung wurde auch von den Vereinten Nationen (UNO) unterstrichen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es schon zwischen den Kulturen im eigenen Land, erst recht aber im interkulturellen Dialog zwischen den Staaten ganz unterschiedliche weltanschauliche Positionen, Normen, Werte und Regeln gibt. Sie sind vielfach die Ursache für latente oder offene Konflikte im alltäglichen schulischen Zusammenleben. Die Bewusstmachung dieser Differenzen, die Erziehung zur Achtung vor anderen Weltanschauungen ist das eine Mall 1993). Das andere ist die Verpflichtung auf kulturelle Grundwerte, die offensichtlich von allen Völkern und Religionen geteilt werden und sich an der Goldenen Regel orientieren: Jeder Mensch muss menschlich behandelt werden. Wie könnten diese globalen ethischen Standards in der Schule vermittelt werden? Die Basis dafür könnte eine Tugendethos auf der Grundlage einer Verantwortungsethik sein (Schleißheimer 2003).

 

1.5  Der Aufbau einer moralischen Grundhaltung im Entwicklungsprozess und die Einübung in gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien sind hier wichtige Aufgaben der Schule. Die Schüler müssen befähigt werden, gemeinsame Vereinbarungen für ihr  Zusammenleben zu treffen, an die sich dann jeder hält und deren Missachtung Konsequenzen nach sich zieht. Dabei ist zu beachten, dass sich die moralische Entwicklung in einer bestimmten Abfolge von Stufen vollzieht. D.h., die Schüler der Grundschule können nicht gleich mit globalen ethischen Standards konfrontiert werden. Sie müssen erst auf einfachster Basis lernen, ihr Verhalten an Normen und Regeln auszurichten. Ausgangspunkt könnten die Formen der „einfachen Sittlichkeit“ sein, wie sie O.F.Bollnow (1947) nach dem Zusammenbruch aller Wertsysteme nach dem 2. Weltkrieg beschrieben hat. Dazu gehören nach seiner Ansicht z.B. die Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander, die Wahrhaftigkeit in allen Lebensäußerungen, die Verlässlichkeit und Gründlichkeit in allen Arbeiten, Hilfsbereitschaft und Mitleid mit allem Kreatürlichen, Zusammenarbeit und  gegenseitige Rücksichtnahme, Pflichterfüllung und Anständigkeit. Zwischen dieser „einfachen Sittlichkeit“ und dem hohen Ethos besteht nach Ansicht von Bollnow eine wechselseitige Angewiesenheit. Diese Formen einer „einfachen Sittlichkeit“ könnten die Basis für die Erhaltung der Selbstachtung bei allen Schülerinnen und Schülern abgeben. Aber offensichtlich haben viele Schulen große Schwierigkeiten, selbst diese Anforderungen einer einfachen Sittlichkeit im alltäglichen Zusammenleben konsequent durchzusetzen.  Dies wäre jedoch die Voraussetzung für gegenseitige Achtung zwischen allen Beteiligten, auch über kulturelle Grenzen hinweg und für die Erhaltung eines positiven Selbstwertgefühls als Grundlagen für eine kontinuierliche Arbeit am Aufbau kultureller Identität und interkultureller Kompetenz bei den Heranwachsenden. 

 

1.6  Fähigkeiten, Wissen und eine moralische Grundhaltung auf der Basis globaler ethischer Standards müssen sich zur interkulturellen Bildung zusammenfügen. In der Öffentlichkeit, in der Bildungs- und Schulpolitik, in der Lehrerbildung muss mehr und mehr die grundlegende Erkenntnis verankert werden: In der heraufziehenden Weltgesellschaft darf Allgemeinbildung nur noch im Sinne interkultureller Bildung verstanden werden!

 

Schule aus einem Guss mit einer klar ausgerichteten Schulkultur zielt insbesondere auf Nachhaltigkeit. Es gibt schon bisher zahlreiche Bemühungen um die Vermittlung interkultureller Kompetenz in den Schulen. Sie erscheinen eher zufällig und punktuell, an einzelnen Schulen, auf Initiative einzelner Lehrkräfte; in einzelnen Fächern, in Form zeitlich begrenzter Projekte, Programme und Unterrichtseinheiten oder in Wettbewerben. Sie liefern wichtige Erfahrungen für neue Ansätze, dienen aber häufig auch als Alibi, um zu zeigen, dass etwas geschieht.

Nachhaltigkeit wird erzielt, wenn im alltäglichen Zusammenleben aller im Rahmen der gemeinsamen Arbeit an der Schulkultur und ihrer Weiterentwicklung die Fähigkeiten,  Kenntnisse und Haltungen interkultureller Bildung in den inneren Strukturen der Person aller beteiligten Lehrer/innen und Schüler/innen verankert werden können. Dies gelingt aber nur, wenn das alltägliche Zusammenleben in der Schule über Jahre hinweg durch eine einheitliche Leitidee und gemeinsame ethische Standards eine klare und stabile Orientierung erhält. Sie werden dann Bestandteil der Wahrnehmungs-, Denk-, Gefühl-, Wertungs- und Handlungsmuster, wie sie beim Aufbau der kulturellen Identität der Heranwachsenden im Laufe der Schulzeit konstruiert werden. Die besondere Leistung interkultureller Bildung für die Entwicklung der kulturellen Identität der Heranwachsenden liegt darin, dass das Fremde, die Differenz (nach Luhmann) erst die Grundlage für das Erkennen der eigenen kulturellen Identität bildet und dass der Umgang mit einer Vielfalt an kulturellen Orientierungen, das Voneinander- und Miteinander-Lernen eine Bereicherung für das Menschsein und für die Entwicklung der Persönlichkeit darstellt. Letztes Ziel aller Anstrengungen muss der Aufbau einer inneren, an globalen ethischen Standards orientierten Verantwortungshaltung bei den Heranwachsenden sein, die den Menschen eine Richtschnur für ihr ganzes Leben gibt und zwar nicht nur in der Begegnung mit fremden Kulturen (Schleißheimer 2003).

 

Es ist zu erwarten, dass im Rahmen eines solchen ganzheitlichen Schulkonzepts auch andere, bisher isoliert betriebene und mit geringem Erfolg gelöste Erziehungsaufgaben der Schule, wie z.B. Gewaltprävention, Umweltbildung, globales Lernen, Medienerziehung, Freizeit- und Konsumerziehung mit größerer Nachhaltigkeit angegangen werden können. Alle Erziehungsaufgaben hängen zusammen (Vgl. Spanhel 1999, S. 20 ff., S. 36 ff.).

2.    Schritte auf dem Weg zu interkultureller Kompetenz

 Möglichkeiten zur Entwicklung einer Schulkultur der Offenheit

 

Aus den Thesen über den Zusammenhang beim Aufbau kultureller Identität und interkultureller Kompetenz im Kindes- und Jugendalter lassen sich einige Folgerungen für die Realisierung dieser Ideen in der Schule im Rahmen von Schulentwicklung ableiten.

Meine Kernthese:

Aus der Idee des Aufbaus interkultureller Kompetenz im Rahmen der Entwicklung der kulturellen Identität der Heranwachsenden und den damit verbundenen Anforderungen muss ein neues, in sich stimmiges Gesamtkonzept von Schule entworfen werden.

Leitidee von Schule:

Schule als Lebens- und Entwicklungsraum, als Lern- und Erfahrungsraum, als Begegnungs- und Handlungsraum. Im Zentrum steht die Entwicklung einer „Schulkultur der Offenheit“.

 

Dies möchte ich zu Beginn ganz entschieden betonen: Es ist nicht damit getan, zu den bereits vorhandenen, vielfältigen Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Schule auf der Grundlage neuer curricularer Lerninhalte eine weitere Aufgabe hinzuzufügen! Nach diesem Muster versucht man seit Jahrzehnten in Programmen, Modellversuchen und Ansätzen zur Schulentwicklung spezifische schulische oder gesellschaftliche Probleme zu lösen – häufig vergeblich oder mit nur mäßigem Erfolg! Ausgangspunkt ist vielmehr der Gedanke einer Schulkultur der Offenheit als Teil und Ausprägung der Gesamtkultur unserer Gesellschaft und ihre Gestaltung im Hinblick auf die Leitidee interkultureller Kompetenz. Dafür reichen auch vereinzelte Projekte nicht aus. Es geht um die Frage der Entwicklung einer Schule insgesamt unter dieser Leitidee.

 

Für ein entsprechendes methodisches Vorgehen können jedoch nur Möglichkeiten innerhalb eines groben Rahmens aufgezeigt werden, denn

-        die Ausgangspunkte an den einzelnen Schulen sind unterschiedlich,

-        das Ziel und die konkrete inhaltliche Ausgestaltung sind offen und

-        unterschiedliche Zwischenziele und Einzelschritte sind denkbar.

 

Bei der Entwicklung einer Schulkultur der Offenheit handelt es sich um eine Entwicklung als Transformation der Strukturen, die diese Schulkultur tragen. Das sind zum einen die inneren Strukturen des sozialen Systems Schule und zum anderen die äußeren Strukturen, in die die Institution Schule eingebettet ist.

In dem folgenden Modell können wir das Zusammenwirken dieser inneren und äußeren Strukturen erkennen (Grafik nach A. Hermanns 1993):

Wir sehen: Die Entwicklung einer Schulkultur der Offenheit ist das Ergebnis von veränderten Kommunikationsprozessen, an denen alle Beteiligten und Betroffenen teilhaben/mitwirken. In diesen Kommunikationsprozessen und durch das daraus folgende gemeinsame Handeln wird die Schulkultur hervorgebracht. In der aktiven Teilhabe an diesen Kommunikationsprozessen entwickeln sich zugleich die Personen und können interkulturelle Kompetenz aufbauen!

 

Daraus ergibt sich eine erste wichtige Erkenntnis:

Aufbau interkultureller Kompetenz ist Ergebnis der aktiven Teilhabe an den Kommunikationsprozessen, die die angestrebte Schulkultur der Offenheit hervorbringen. Im Zentrum der Bemühungen muss also die Gestaltung schulischer Kommunikationsprozesse stehen.  

 

Kommunikation beruht auf der menschlichen Fähigkeit zum Zeichengebrauch. Dies verweist auf die herausragende  Bedeutung der Sprache als Basis für eine Schulkultur der Offenheit (Spanhel 2006, S. 62 ff., S. 78 ff.).

Im Sinne des Kulturbegriffs von Auernheimer geht es um die Konstruktion einer gemeinsamen „Landkarte der Bedeutungen“, also um eine Angleichung der individuellen Landkarten, um den Aufbau eines „konsensuellen Bereichs“ (Maturana/Varela 1987). Schon 1971 hatte G. Priesemann in seiner Theorie der Unterrichtssprache den Unterrichtsprozess als fortlaufenden Aufbau einer „Lerngruppensprache“ in dem Wechselspiel zwischen sachbezogenem und Verständigungsbezogenem Sprechen beschrieben.

Das weist ein zentraler Faktor unserer Kultur! Unsere Sprache als System repräsentiert unsere Landkarte der Bedeutungen. Damit sind jeweils spezifische Vorstellungen, innere Bilder, Gefühle und Wertungen verbunden.

 

Möglichkeiten zur Umsetzung einer Schulkultur der Offenheit

3.1  Schulkultur realisiert sich im alltäglichen Zusammenleben aller im Raum der Schule. Es kommt daher nicht so sehr auf eine inhaltliche Revision der Curricula an, sondern darauf, wie sie im Unterricht und im Schulleben umgesetzt werden: Wie Lehrer und Schüler miteinander arbeiten, wie sie sich mit Werken der eigenen Kultur und fremder Kulturen auseinandersetzen und eigene Werke hervorbringen, wie sie sich gegenseitig bewerten und von den Lehrkräften bewertet werden, miteinander feiern und ihre Freizeit gestalten (Spanhel 1998).

Ein bedeutsamer Anker für die sich entwickelnde Identität der Schüler sind ihre Werke, die sie allein oder gemeinsam mit anderen hervorbringen.

Wichtige Idee: Unterrichts- , Arbeits-, Projektergebnisse müssen – wenn nicht dauerhaft, so doch eine gewisse Zeit – dokumentiert und aufbewahrt werden; sie müssen anderen (Schulklassen, Eltern oder Schulen) präsentiert werden. Die neuen Medien bieten dafür vielfältige und für die Schüler stets faszinierende Möglichkeiten (Spanhel 2000)!

 

3.2  Kultur lässt sich insbesondere erschließen in der Literatur, der Sprache, der Kunst und Musik und in anderen medialen Ausdrucksformen. Die Gewinnung einer Identität in der eigenen Kultur vollzieht sich bei den Heranwachsenden insbesondere im Modus des Erzählens. Vor diesem Hintergrund bekommen Literatur und Geschichte, Kunst und Musik, Theaterspiel und globaler Austausch mit Medien, Feste und Feiern einen besonderen Stellenwert für die Schulkultur. Neben den exakten Naturwissenschaften müssen die Geistes-, Geschichts- Sozialwissenschaften Bedeutung erhalten (J.S. Bruner, 1996, S. 130 ff.).

Wichtige Idee: Gerade die neuen Medien bieten heute ganz neue und vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation, anderen etwas mitzuteilen, durch selbst gestaltete Texte am Computer, Videos, Hörbeiträge, Fotos, Collagen, Schulzeitung und Pausenradio, bis hin zum gemeinsamen Erstellen von Geschichten auch über räumliche Grenzen hinweg. Entscheidend ist, dass alle diese Geschichten und Erzählungen die kulturelle Vielfalt des Lebens an dieser Schule widerspiegeln.

 

3.3  Für das aktive Leben und Gestalten einer Schulkultur muss die Schule Raum und Zeit geben. Das hat zur Konsequenz, dass herkömmliche Strukturen und Organisationsformen von Schule aufgebrochen und neu gestaltet werden müssen. Das wäre am besten im Rahmen einer Ganztagsschule möglich. Aber auch in der normalen Schule gibt es durchaus Möglichkeiten für eine organisatorische Umgestaltung der räumlichen, zeitlichen und sozialen Strukturen (Spanhel 2000). Vielfältige und flexible Ausgestaltung des Schulhauses, der Klassenzimmer, des Pausehofs Mehrzweckfunktionsräume. Das Lernen im festen Klassenverband kann auf wenige Stunden begrenzt werden. In der Grundschule sind altersgemischte Klassen möglich (vgl. Schulversuch Baden-Württemberg). Für die wechselnden Lern-, Arbeits- und Neigungsgruppen müssen entsprechende Räumlichkeiten verfügbar sein. Das kulturelle Leben kann durch die Tätigkeit von Musikern, Künstlern, Medienschaffenden, Sozialpädagogen bereichert werden.

Wichtige Idee: Gemeinsame Planung und Ausgestaltung spezieller Lern- und Erfahrungsräume auf dem Schulgelände (evtl. unter Einbezug der Eltern)

 

3.4  Schulkultur als Teil und Ausdrucksform der Gesamtkultur kann und darf nicht isoliert betrachtet und im begrenzten Raum der Schule entwickelt werden. Sie ist jeweils in einen spezifischen lokalen kulturellen Kontext eingebettet, der von der Schule genutzt werden muss und seinerseits Impulse von der Schulkultur erhalten kann. Dabei ist nicht nur an kulturelle Einrichtungen im engeren Sinne zu denken (Bibliotheken, Theater, Museen), sondern ebenso an politische Institutionen, Vereine und Verbände (vor allem auch ausländischer Mitbürger), an soziale und caritative Einrichtungen, an Handwerks- und Wirtschaftsbetriebe. Für eine lebendige Schulkultur sind vielfältige Austauschprozesse in allen diesen Feldern ebenso förderlich wie für diese Einrichtungen selbst (Spanhel 2004, S. 26 ff.). Wichtige Idee: Kenntnis, Pflege, Erhaltung des lokalen kulturellen Erbes.

 

 

3.5  Einbindung der Schulkultur in ein zusammenwachsendes Europa:

 Kulturelles Erbe des christlichen Abendlandes – aber: viele a-religiöse Menschen!

   Tourismus: Urlaubserfahrungen als Anknüpfungspunkt für den Vergleich unter-schiedlicher Sitten, Gebräuche und kultureller Werke.

Schüler- und Kulturaustausch bieten weitere gezielte Erfahrungsmöglichkeiten.

Der Erwerb einer zweiten Fremdsprache (englisch – Mehrsprachigkeit) ist dafür eine   wichtige Voraussetzung;

Die kulturelle Vielfalt der Medien zur Analyse und Präsentation nutzen.

Das gemeinsame geschichtliche Erbe lässt sich in verschiedenen Unterrichtsfächern herausarbeiten.

Den Entwicklungsprozess der EU beobachten: Möglichst konkret die Konsequenzen  einzelner Entscheidungen auf Europa-Ebene für die Kommune und für die einzelnen Mensch untersuchen.

 

3.6  Die Verwirklichung der Idee einer Schulkultur und interkultureller Kompetenz kann nicht von der Schule und der Schuladministration allein geplant und durchgeführt werden. Er muss die Verantwortlichen in der Kommune, insbesondere natürlich die Eltern (auch die der zukünftigen Schüler!) und engagierte Persönlichkeiten aus dem Kulturleben, aus Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen einbeziehen. Es müsste ein lokales „school board“ eingerichtet werden, um möglichst viele Personen aus unterschiedlichen Bereichen mit in die Verantwortung für eine neue Schule zu nehmen.

Wichtige Idee: Lebendige Schulgemeinde; Öffnung von Schule.

 

3.7 Eine solche Konzeption von Schule kann nicht fertig vorgelegt und den Betroffenen (Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern, Schüler) aufgezwungen werden. Ein neues Modell von Schule auf der Grundlage von Schulkultur muss im Laufe der Zeit von allen Beteiligten gemeinsam in einem mühsamen Prozess der Schulentwicklung verwirklicht werden. Dafür gibt es ein wissenschaftlich begründetes und erprobtes Verfahren, die „responsive Evaluation“, das ich selbst in einem vierjährigen Modellversuch an einer Erlanger Hauptschule angewendet habe (Spanhel 1999, S. 57 ff., S. 209 ff.). Es beinhaltet eine Form der wissenschaftlichen Begleitung eines solchen schwierigen Entwicklungsprozesses. Die Beteiligten und Betroffenen bleiben dabei stets Herr des Verfahrens. Sie bekommen jedoch wirksame Hilfe und Unterstützung bei der Planung und Durchführung der ersten Entwicklungsphase, bei der Reflexion und Bewertung der Arbeit und der Konzeption der nächsten Schritte zur Weiterentwicklung.

 

Zum Schluss:

Soziale Systeme sind sich selbst regelnde Gebilde. Regelungsprozesse in der Schule: Steuerungsgruppe -  Bedeutung der Schulleitung – Schulforum mit Eltern und Schülern.

Einzelne Aktionen oder Teilgebiete dürfen nicht isoliert gesehen und betrieben werden. Frage nach dem Beitrag zum Ganzen. Einzelne Teilstrukturen müssen sich gegenseitig stützen (Wild 2006)!

Wichtig: Nachhaltigkeit durch fortlaufende innere Evaluation (Spanhel 1999, S. 230 ff.). Entwicklungsprozesse in der Person wie auch in sozialen Systemen (Schule) brauchen Zeit, müssen sich in Wiederholungen festigen und einregulieren. Entwicklung als selbstgesteuerter Prozess ist von außen nicht beliebig machbar.

 

 

Literatur:

Allemann-Ghionda, C.: Interkulturelle Bildung. In: R. Fatke (Hrsg.): Forschungs- und Handlungsfelder der Pädagogik. Zf. Päd, 36. Beiheft, Weinheim, Basel 1997,
S. 107 - 150

Auernheimer, G.: Einführung in die interkulturelle Pädagogik. Darmstadt 1995

Bollnow, O.F.: Sprache und Erziehung. Stuttgart 1966

Bollnow, O.F.: Einfache Sittlichkeit. Göttingen 1947

Bruner, J.S.: The culture of education. Cambridge (Mass.), London 1996

Hermanns, A.: Erziehungswissenschaft. Einführung in die Grundstruktur des Fachs. Stuttgart, Dresden 1995, S. 68

Graf, P.: Interkulturelle Pädagogik als Schule der Wahrnehmung. In: N. Schneider, R.A. Mall, D. Lohmar (Hrsg.): Einheit und Vielfalt. Das Verstehen der Kulturen. Amsterdam, Atlanta, G.A. 1998, S. 379 – 395

Jantz, O., Mühlig –Versen, S.: Kulturelles und interkulturelles Lernen in der Mädchen- und Jungenarbeit als Unterstützung für Jugendarbeit und Schule. In: ajs – Informationen. Fachzeitschrift der Aktion Jugendschutz. Stuttgart, Nr. 2/ 39. Jg. 2003, S. 4 - 14

Keupp, H., Höfer, R. (Hrsg.): Identitätsarbeit heute. Frankfurt/M. 1997

Küng, H.: Projekt Weltethos. München, Zürich 1990

Mall, R. A.: Wahrheit und Toleranz als hermeneutisches Problem. Religionsphilosophische Reflexionen zum Dialog der Religionen. In: Dialog der Religionen, 3. Jg. H.1, S. 20 - 36

Maturana, H.R., Varela, F.J.: Der Baum der Erkenntnis. Wie wir die Welt durch unsere Wahrnehmung erschaffen. Bern 1987

Priesemann, G.: Zur Theorie der Unterrichtssprache. Düsseldorf 1971

Schleißheimer B.: Ethik heute. Eine Antwort auf die Frage nach dem guten Leben. Würzburg 2003

Spanhel, D.: Medienerziehung. Handbuch Medienpädagogik Bd. 3 Erziehungs- und Bildungsaufgaben in der Mediengesellschaft. Stuttgart 2006

Spanhel, D.: Chancen und Barrieren einer Kooperation von Jugendmedienarbeit und Schule aus pädagogischer Sicht. In: I. Pöttinger, W. Schill, G. Thiele (Hrsg.): Medienbildung im Doppelpack. Wie Schule und Jugendhilfe einander ergänzen können. Schriften zur Medienpädagogik 37. GMK. Bielefeld 2004, S. 26 – 38

Spanhel, D.: Neue Medien – neue Lernchancen. Ein integratives Konzept für die Medienerziehung. In: Lernchancen 3 (2000) H. 14, S. 5-14.

Spanhel, D.: Integrative Medienerziehung in der Hauptschule. Ein Entwicklungsprojekt auf der Grundlage responsiver Evaluation. München 1999

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